Schausteller bei Sieveke und Linnemann zum traditionellen Frühstück
Schausteller brauchen den Trubel, sie leben von Menschentrauben, Nervenkitzel in den Fahrgeschäften, Musik und guter Laune. Masken, Abstandsregeln und Verbote von Volksfesten in Corona-Zeiten sind die Sargnägel für die oftmals über Generationen betriebenen Familienunternehmen. Da sind spontane Ideen, wie digitale Alternativen und temporäre Volksfeste („Tivoli“) mit beschränkten Besucherzahlen und unter strengen Hygieneauflagen ein wichtiger Versuch, sich in Erinnerung zu bringen. Ein wirklicher Ersatz für den Rummel ist das nicht, bestenfalls eine kulturelle und finanzielle Schadensbegrenzung. Und so zeigten sich die heimischen Betreiber von Fahrgeschäften, Getränke-, Imbiss und Erlebnisständen beim traditionellen Libori-Schaustellerfrühstück auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Carsten Linnemann und des Landtagsabgeordneten Daniel Sieveke zwar wie immer kämpferisch, aber auch tief besorgt. Schon der Ort des Frühstücks war ungewohnt: Statt auf dem Liboriberg, wo sonst um diese Zeit der Bär brummt – trafen sich Politik und Schausteller diesmal im Bürgerhaus im Neuhäuser Schlosspark im Schatten des „Tivoli“.
Hans-Otto Bröckling, Vorsitzender des Paderborner Schaustellervereins, brachte es vor 60 Gästen auf den Punkt: „Wir kauen auf dem Zahnfleisch, wir brauchen jeden Cent zum Überleben unserer Geschäfte!“ Auch wenn das „Tivoli Wunderland“ einige Einnahmen bringe, sei das nicht mehr als das nach außen hin wichtige Signal: „Wir sind noch da, uns gibt es noch!“
Carsten Linnemann versicherte, dass es auch zukünftig wieder möglich sein müsste, große Volksfeste in Deutschland zu feiern, aber wann und wie, sei noch nicht absehbar. Daniel Sieveke lobte das Engagement der Schausteller, die mit dem temporären Freizeitpark in Eigenregie etwas auf die Beine gestellt habe. „Mich ärgert jedoch, dass im Rat wochenlang über Ermäßigungen für Kinder zum Tivoli-Besuch gestritten wurde und alle den Eindruck erweckten, als sei dies eine städtische Veranstaltung.“
Unterm Strich hätten Politik und Schausteller in einem konstruktiven Austausch gestanden. „Aber natürlich können wir in diesen von Corona und den Folgen geprägten Monaten nicht alle Wünsche erfüllen. Und klar, es gibt immer auch Problemzonen im Zusammenhang mit den Allgemeinverfügungen des Landes NRW. Doch auch hier sind wir flexibler und deutlich besser unterwegs als andere Bundesländer.“
Albert Ritter, Vorsitzender des Deutschen Schaustellerbundes, wetterte gegen „Lippenbekenntnisse“ aus der Politik. „Was wir brauchen, sind Taten und Ergebnisse. Viele von uns hatten ihre letzten Einnahmen bei den vergangenen Weihnachtsmärkten, manche auch schon im Oktober 2019. Der Ton ist insgesamt rauer geworden, aber das müsst ihr Politiker aushalten.“ Und jetzt die Absagen der Stadtfeste bis Oktober. „Wir sind eine Branche ohne Perspektiven“, verwies Ritter auch auf die Probleme bei den Sofort- und Überbrückungshilfen. Eine Kirmes sei auch keine Schinkenstraße auf Mallorca mit Saufgelagen, und trotzdem sei es anfangs nicht erlaubt gewesen, Alkohol im Wunderland auszuschenken“, zeigt Ritter einige der Widersprüche auf.
Jetzt setzen Schausteller und Politik auf die nächsten Weihnachtsmärkte. „Wir werden am 12. August im Marktausschuss die Standplätze vergeben“, so die betont optimistische Ansage von Bürgermeister Michael Dreier. Mit einem dringenden Wunsch der Schausteller wird sich der Rat dann auch befassen müssen. „Um die finanzielle Seite unserer Schausteller erträglicher zu machen, sollte die Stadt künftig die Standgebühren nicht schon vor den Märkten, sondern erst zur Halbzeit kassieren“, so der Appell von Hans-Otto Bröckling an die Lokalpolitik. Das alles sei aber nur Schadensbegrenzung, setzte der Paderborner Schausteller Robert Petter den aufrüttelnden Schlusspunkt: „Wenn uns die Weihnachtsmärkte auch wegbrechen, sind wir am Ende.“
Foto: © Hans-Dieter Winkler